Menschen in Osterholz – Wolfgang Haase

Normalerweise führen wir unsere „Menschen in Osterholz“-Interviews persönlich. In diesem Frühjahr jedoch war es anders. Schuld war die Grippewelle, die zuerst die Interviewerin und dann den Interviewten überfiel. So entschieden wir, dass Wolfgang Haase die Fragen schriftlich beantwortete und sie uns vom BORiS-Team zur Verfügung stellte.

Viele unserer Leser kennen Herrn Haase als engagierten Beiratssprecher. Aber vielleicht erfahren Sie hier noch ein paar Dinge, die sie bisher über ihn noch nicht wussten. Viel Spaß beim Lesen.

Was gefällt Ihnen in Osterholz?

Da muss ich ein wenig ausholen. Das hat auch mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Ich komme, wie man so sagt, aus einfachen Verhältnissen. Obwohl die Zeiten, in denen ich aufgewachsen bin gar nicht so einfach waren. Meine Eltern gehörten beide zu einer Generation, die durch Kriegszeiten an einer durchgängigen Berufsausbildung gehindert worden waren und die Familie in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mit Jobs ernährt hatten, bis sie später in den 70ern beruflich noch einmal durchstarten konnten.

Mich schickten sie nach meiner Grundschulzeit auf Anraten meiner damaligen Klassenlehrerin auf das „Alte Gymnasium“. Ich drückte die Schulbank mit Kindern eines Bundestagsabgeordneten, eines Versicherungsdirektors, zweier Pastoren, des Direktors der Bremer Kunsthalle, usw. Als Sohn eines Kraftfahrers fühlte ich mich also völlig fehl am Platze unter den Kindern der Bremer Bildungs- und Finanzelite. Diese Erfahrungen haben mich aber fürs Leben geprägt. Ich habe mich immer als Wanderer zwischen zwei Welten gesehen. Und da kommen wir auch schon zu einem Punkt, der mir zeitlebens wichtig war, der soziale Ausgleich und die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.

Ich habe mein ganzes Berufsleben als Lehrer und später als stellvertretender Schulleiter in Huchting verbracht, die ersten zwanzig Jahre davon auch in Huchting gewohnt, bis ich dann 1997 nach Osterholz zog. Ich liebe diese beiden Stadtteile und habe mich immer in beiden Stadtteilen wohl gefühlt, gerade, weil sie so bunt und vielfältig sind. Besonders Osterholz mit seinen fünf Ortsteilen spiegelt besonders die Vielfalt unserer Gesellschaft. Menschen aus bis zu 90 Nationen leben friedlich in Tenever zusammen. Menschen aus den sogenannten besseren Wohngebieten treffen sich in den Vereinen, Initiativen und Stadtteilgruppen mit denen, die Mühe haben, sich und ihre Kinder jeden Monat über die Runden zu bringen. Aber eines ist allen Osterholzern gemeinsam: die hervorragenden Vernetzung in den vielen Einrichtungen und Vereinen. Das eng geknüpfte soziale Netzwerk fängt jeden im Stadtteil auf, der danach greift.

Als 2014 sich die Welle der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak abzeichnete, verfasste die Stadtteilgruppe Tenever einen offenen Brief, in dem sie unsere Landesregierung aufforderte, diese Menschen in Tenever und Osterholz unterzubringen. Das ist dann ja auch in großem Maße geschehen. Soziale Träger, Stadtteilgruppen und Beirat und Ortsamt haben dann dafür sorgen können, dass diese Zeit ohne ein ernstes Problem bewältigt worden ist.

 Was würden Sie in Osterholz ändern, wenn Sie könnten?

Vorweg, uns geht es ja nicht schlecht in Osterholz. Es ist in den letzten Jahren so viel erreicht worden. Die Schulen im Stadtteil sind alle in einem guten Zustand, auch wenn es zurzeit eng wird und wir mehr Räume brauchen. Osterholz hat endlich seine Mitte gefunden. Wir haben einen modern und großzügig gestalteten Marktplatz für den Wochenmarkt und viele Veranstaltungen, die übers Jahr dort stattfinden. Die Straßenbahn ist bis zum Weserpark verlängert worden, zwischen dem Ellener Feld und Blockdiek ensteht ein völlig neues buntes und innovatives Quartier mit Wohnungen für 500 Familien. Neue Kitas sind in der Planung. Also in Osterholz tut sich vieles.

Aber ändern möchte ich schon einiges. Was uns allen jeden Tag auffällt ist die Tatsache, dass der Straßenverkehr nicht reibungslos durch unseren Stadtteil fließt. So lange ich in Osterholz Stadtteilpolitik mache, nervt das Thema Osterholzer Heerstraße. Längst überfällig ist ein Ausbau der Straße, damit der immer stärker gewordene Verkehr möglichst zügig und damit möglichst schadstoffarm fließen kann. Einen vierspurigen Ausbau will niemand ernsthafterweise mehr. Aber eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 2, 3 oder 10 über die Heerstraße bis nach Mahndorf verbunden mit dem Ausbau der Kreuzungen wäre eine deutliche Entlastung. Der Ausbau der Knotenpunkte, also die Aufweitung der Spuren an den Kreuzungen sorgt dafür, dass wesentlich mehr Kfz pro Grünphase die Kreuzung überqueren können und damit der tägliche Stau verringert bis verhindert werden kann.

Das Radwegenetz im Stadtteil muss überarbeitet werden. Es kann doch nicht sein, dass in Osterholzer Landstraße sich Fußgänger, Mütter mit Kinderwagen, Ältere mit Rollatoren und Radfahrer einen schmalen Fußweg teilen müssen, während auf der anderen Straßenseite ein Fußweg und ein Radweg zur Verfügung stehen. Dieser Radweg könnte in beide Richtungen befahren werden und somit das Gedrängel auf der anderen Straßenseite beenden.

Die Straßendecke der Züricher Straße / Ludwig-Roselius-Allee ist seit Jahren sanierungsbedürftig. Bisher ist für Osterholz kein Geld da. Es fehlen Spielplätze und Sportflächen im Stadtteil. Es fehlt an Fachärzten Im Stadtteil. Es gibt zum Beispiel keinen einzigen HNO-Arzt in Osterholz.

Also mir fallen da schon einige Dinge ein, die es zu verbessern gilt. Ich habe in meiner Rede auf dem Neujahrsempfang im Ortsamt angeregt, einmal alle Ideen, Pläne und Vorhaben zu einem „Masterplan Osterholz 2030“ zusammenzufassen, damit wir Osterholzer, der Stadtteilbeirat und auch Bürgerschaft und Senat einmal einen Überblick über das bekommen, was uns wichtig ist und zeigt, wo wir im Jahr 2030 gern ständen.

Was ist Ihnen besonders wichtig?

Dass es den Menschen gut geht. Dass jeder genug um Leben hat und vielleicht auch mal ein bisschen mehr, um teilhaben zu können am gesellschaftlichen Leben. Und dass wir alle in einer freien, demokratischen Gesellschaft leben. Das wiederum ist aber keine Selbstverständlichkeit. Mehr als ein halbes Jahrhundert haben wir geglaubt, die Erfahrungen mit der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs hätten nicht nur bei uns in Deutschland zu historischen Erfahrungen geführt: Nie wieder Rassismus und Ausgrenzung, nie wieder Krieg! Wir müssen aber gerade in den letzten Jahren zur Kenntnis nehmen, dass die Welt immer komplizierter und vernetzter geworden ist und den Menschen täglich eine Fülle von Problemen vor Augen geführt wird, was wiederum zur wachsenden Sehnsucht nach Klarheit, Sicherheit und einfachen Antworten führt. Das Ringen um Lösungen innerhalb demokratischer Strukturen ist immer anstrengend und manchmal langwierig. Das merken wir schon im Kleinen, in unserem Stadtteilbeirat. Macher Kampf dauert Jahre. So hat es zum Beispiel 12 Jahre von den ersten Forderungen nach Verlängerung der Straßenbahnlinie 1 bis zur feierlichen Eröffnung gedauert. Die Trumps dieser Welt versprechen in der Regel einfache und schnelle Lösungen. Davor kann man doch nur warnen. Amerika zuerst, Deutschland zuerst und dann dieser Logik folgend Deutsche zuerst führt direkt zu Abschottung, Ausgrenzung aller anderen und zu machtgierigen Einzelkämpfern, die nur den Vorteil ihrer Gruppe sehen. Da muss man aufpassen, dass man nicht plötzlich auch zu den anderen gehört, die unerwünscht sind.

Nur wenn wir uns alle um unser Gemeinwesen kümmern und unsere Stimme für wichtig halten, das das „Wir“ im Mittelpunkt stehen muss. Daran jeden Tag ein kleines bisschen zu arbeiten, ist mir wichtig.

Womit beginnt Ihr perfekter Tag?

 Mit dem gemeinsamen Frühstück. Wenn der Kaffeeduft durchs Haus zieht und wenn meine Frau und ich, wie jeden Tag anfangen, die Zeitung zu lesen. Oft kommen wir nicht allzu weit. Denn dann haben wir schon wieder die erste Diskussion.

Was lesen Sie gerade?

Ich lese gerade leichte Kost. Ich komme eigentlich erst sehr spät abends vor dem Einschlafen zum Lesen. Ich lese in der Regel gern Südfrankreich Krimis. Zurzeit allerdings mal einen Ken Follett: „Kinder der Freiheit“. Eine Beschreibung der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der Entwicklung in verschiedenen Ländern.

Welches Land fasziniert Sie, und warum?

Ich liebe Frankreich und die französische Lebensart. In meinen ersten stressigen Berufsjahren hatte ich immer eine Fluchtfantasie. Ich träumte dann davon, in Südfrankreich ein Bistro zu eröffnen.

Was würden Sie gerne mal tun?

 Ich würde schon gerne mal mit einem Wohnmobil die amerikanische Ostküste hochfahren und das möglichst zur Zeit des „Indian Summer“. Wer weiß, vielleicht kommt das nochmal auf mich zu. Und wenn nicht, man muss auch Träume haben.

Haben Sie ein Lieblings-Zitat oder eine Lebensweisheit?

Ein Zitat, das immer wieder auftaucht? Nein, da muss ich passen. Mir begegnen schon welche, die ich bemerkenswert finde. Aber diese Zitate tauchen auf und verschwinden wieder.

Wichtig für mein Leben ist mir, mich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Ich erhebe keinen Absolutheitsanspruch auf die Richtigkeit meiner Gedanken. Das führt dazu, dass ich mich ständig selbst in Frage stelle. Das ist manchmal anstrengend, hat aber auch zur Folge, das man flexibel bleibt.

Mit wem würden Sie gerne mal einen Tag lang tauschen?

Da fällt mir eigentlich niemand ein. Nicht weil ich mich für Superman halte, sondern weil ich zufrieden mit meinem Leben bin. Ich fühle mich relativ gesund, bin glücklichst verheiratet und darf als Beiratssprecher an vielen interessanten Sitzungen, Projekten und Entscheidungen im Stadtteil teilhaben. Was will ich mehr?

Was machen Sie nach einem anstrengenden Tag?

Das, was wohl die meisten von uns tun: Sofa! Füße hoch, einen entspannenden Film Im Fernsehen und ein Glas Wein. Und es tut gut, mit der Liebsten den Tag noch mal Revue passieren zu lassen und die Dinge zu besprechen und einzuordnen.

Zur Person

Wolfgang Haase war 40 Jahre Lehrer, in den letzten 10 Jahren davon stellvertretender Schulleiter einer Oberschule in Huchting. Er hat 20 Jahre lang in Huchting gelebt und wohnt nun seit 21 Jahren in Osterholz. Seit 1999 gehört er für die SPD dem Osterholzer Beirat an – erst als Fraktionssprecher und dann als Beiratssprecher.