Träger schlagen Alarm

Zukunft sozialer Projekte im Bremer Osten ungewiss

In einem Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der örtlichen Träger, der Senatskanzlei, dem Ressort Arbeit sowie dem Jobcenter wurde deutlich: Die finanzielle Unsicherheit vieler sozialer Projekte im Bremer Osten belastet Träger, Mitarbeitende und Teilnehmende zunehmend.

„Wir machen uns große Sorgen“, sagt Claudia Schlosser vom Mütterzentrum Osterholz-Tenever. Zwar sei die Finanzierung vieler Angebote noch bis Ende des Jahres gesichert – allerdings oft nur mit kurzfristigen Zusagen.

Die Frage, wie es 2026 weitergeht, bleibt unbeantwortet.

Ein Beispiel für die Unsicherheit: Das Projekt „Qualifizierung rund um den Job“ war offiziell nur bis zum 31. Mai 2025 befristet. Erst einen Tag vor Ablauf kam die Nachricht, dass es weitergeführt wird – mit Zusage bis Ende 2025. „Solche Hängepartien sind für alle Beteiligten eine enorme Belastung – für die Teilnehmenden, die Mitarbeitenden und auch die Verwaltung“, so Schlosser.

Erhebliche Kürzungen treffen die Schwächsten

Besonders betroffen sind Sprachkurse sowie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Mittel aus Programmen wie „LOS“ (Lokales Kapital für soziale Zwecke) und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden gekürzt. In einem Stadtteil mit hohem Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte sei das besonders gravierend. „Weniger Kurse bedeuten auch weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Schlosser. Die Angebote seien nicht nur Qualifizierungsmaßnahmen, sondern oft auch die einzige Möglichkeit zur sozialen Teilhabe.

Die Kürzungen haben bereits sichtbare Folgen: Maßnahmen wurden gestrichen, Cafés mussten Öffnungszeiten verkürzen. „Gerade diese Einrichtungen bieten niedrigschwellige Zugänge zum Arbeitsmarkt“, erklärt sie. Ohne verlässliche Finanzierung drohe den Trägern ein finanzielles Risiko – bis hin zur Insolvenz.

Bedrohung für jahrzehntelange Aufbauarbeit

Die Ortsteile Tenever, Blockdiek und das Schweizer Viertel haben sich in den vergangenen 20 Jahren spürbar weiterentwickelt. „Doch diese positive Entwicklung steht auf der Kippe“, warnt Schlosser. Die soziale Infrastruktur ist fragil. Mit jedem gestrichenen Angebot wachse die Gefahr eines Rückfalls in alte Muster: steigende Arbeitslosigkeit, soziale Notlagen, zunehmende Spannungen.

„Wir sind ein Stadtteil, der weiterhin stark von Armut betroffen ist“, betont Schlosser. „Kürzungen gefährden die Integration auf mehreren Ebenen – sozial, arbeitsmarktpolitisch und bildungspolitisch.“

Unklare Perspektiven und vage Aussagen

Zwar soll es eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Jobcenter, den Trägern und dem Verband arbeitspolitischer Dienstleister geben, um Projekte bedarfsorientierter fortzuführen – doch bisher sind weder Umfang noch Kriterien dafür konkretisiert. Die Träger bleiben faktisch abhängig von der öffentlichen Förderung. Ohne finanzielle Zusagen sind auch sinnvolle Projekte nicht realisierbar.

Aykut Tasan, Quartiersmanager im Schweizer Viertel, sieht die Entwicklungen mit Sorge. „Wenn ein Café schließen muss, fällt mehr weg als ein Mittagstisch – es verschwinden auch Arbeitsplätze und soziale Strukturen.“ Die Einbindung von Quartiersmanagerinnen und -managern in künftige Projektbewertungen sei zwar vorgesehen, konkrete Planungen fehlen jedoch bislang.

„Das Prinzip Hoffnung ist keine Lösung“

Ralf Jabrowski vom Verein für Recycling und Umweltschutz betont, dass seine Einrichtung in den vergangenen eineinhalb Jahren „gewaltig geblutet“ habe. Auch Claudia Toensing von der „Initiative“ warnt: Die Maßnahmen des Projekts „Café Abseits“ zur Arbeitsmarktintegration werden seit dem 1. Juli nicht mehr finanziert – das Café selbst sei nur bis Jahresende gesichert.

„Was über Jahre aufgebaut wurde, kann innerhalb weniger Wochen verschwinden“, mahnt Schlosser. Investitionen in soziale Infrastruktur bräuchten langfristige Planungssicherheit – nicht kurzfristige Notlösungen. Die aktuelle Praxis, Projekte im Halbjahresrhythmus zu bewilligen und Entscheidungen in letzter Minute zu treffen, sei auf Dauer nicht tragbar.

Auch das Vertrauen in die Politik leide zunehmend. „Das Risiko tragen allein die Träger“, so Schlosser. Bei fehlender Planungssicherheit müssten Räumlichkeiten vorsorglich gekündigt werden – mit langfristigen Folgen: „Ein Café baut sich nicht in wenigen Wochen wieder auf.“

Signal aus der Politik gefordert

Positiv aufgenommen wurde die Bereitschaft, den Quartiers-Service auf seine Wiederaufnahme zu prüfen. Gleichzeitig mehren sich die Befürchtungen, dass im kommenden Jahr zwar 25 % aktiviert werden, aber gleichzeitig 75 % der Projekte wegfallen könnten. „Das ist alles Glaskugellesen“, sagt Schlosser. „Wir wissen es nicht.“

Für Aykut Tasan ist klar: „Fällt das Mütterzentrum in Tenever weg, verschwinden nicht nur 50 bis 100 Arbeitsplätze – auch rund 1.000 Angebote für die Quartiersbevölkerung brechen weg.“ Sprachförderung, soziale Beratung, kreative und sportliche Angebote oder Ferienprogramme für Kinder seien unverzichtbar. „Es ist eine grausame Vorstellung, dass Kinder in den Ferien einfach zu Hause bleiben müssen, weil es keine Angebote mehr gibt“, meint auch Elena Junck vom Mütterzentrum Blockdiek.

Aykut Tasan bringt es auf den Punkt: „Die Senatskanzlei hat versprochen, große Räder zu drehen. Ich bin schon froh, wenn wir es schaffen, die kleinen Räder hier im Quartier am Laufen zu halten.“

Die Initiatoren des Treffen
V.l.n.r: Aykut Tasan, Quartiersmanger Schweizer Viertel; Ralf Jabrowski, Verein für Recycling und Umweltschutz; Alexander Mentz, Projektgruppe Tenever; Elena Junck, Mütterzentrum Blockdiek; Katrin Höpker, Quartiersmangerinn Tenever; Claudia Schlosser, Mütterzentrum Osterholz-Tenever.